4:4 endete am Wochenende die packende Partie zwischen dem Halleschen FC und dem SC Verl. Nach zwei Niederlagen konnten die Ostwestfalen immerhin wieder einen Punkt holen - auch wenn es sich nach der zwischenzeitlichen 4:2-Führung wie eine Niederlage anfühlte. Verls Trainer Guerino Capretti war in jedem Fall nach dem Spiel mächtig bedient.
"Es ist eine Katastrophe, dass wir so des Sieges beraubt werden. Das ärgert mich maßlos", tobte der Trainer nach dem Spiel bei Magentasport mit Blick auf Schiedsrichter Florian Lechner, der gleich bei zwei Hallenser Toren im Vorfeld Foulspiele des Gegners übersah. Der Ärger Caprettis über diese Entscheidungen war nachvollziehbar, weit weniger nachvollziehbar war dagegen ein anderer Punkt, den der 39-Jährige ansprach.
Denn Capretti spekulierte munter darauf los, warum insbesondere vor dem 3:4 Halles ein Foulspiel an Kasim Rabihic ungeahndet blieb - zur ganzen Wahrheit gehört übrigens auch, dass Halle auf dem Weg zum Tor danach noch 80 Meter zurücklegen musste. "Er pfeift es nicht. Wahrscheinlich, weil die ganzen Zuschauer da sind und er sich nicht getraut hat. Und das ist unser Schicksal", sagte Capretti und zog auch Parallelen zu der 0:2-Pleite beim SV Meppen in der Woche davor: "Das war gegen Meppen ähnlich. Alle Zuschauer sind bei jedem Zweikampf präsent, da wird immer alles abgepfiffen und bei uns nicht. Da müssen wir leider mit leben, auch wenn das meiner Meinung nach ein bisschen unfair ist."
Zum Hintergrund: In Meppen kassierten die Verler vor 6000 Zuschauern eine verdiente Niederlage. Capretti sprach damals im Anschluss an die Partie davon, dass seine Mannschaft eine derartig hitzige Stimmung von den Rängen nicht gewohnt sei. Verl hatte indes in dem Spiel riesiges Glück, dass Kapitän Mael Corboz im ersten Durchgang nach einem brutalen Foul mit Gelb davonkam, nur eine Minute später wechselte ihn Capretti aus. Unter diesem Eindruck mutet es schon unfreiwillig komisch an, dass Verls Trainer nach dem Halle-Spiel davon sprach, dass "vielleicht auch in der 3. Liga der Videobeweis eingeführt werden müsste". Gerade auswärts sei das vielleicht "die einzige Möglichkeit".
Wehklagen darüber, dass in der 3. Liga in fremden Stadien von den Rängen Stimmung kommt, ist tatsächlich schon ein ganz starkes Stück von Capretti. Ja, für den Sportclub ist das ungewohnt. Das ist nicht despektierlich gemeint, selbst der Trainer sagte, dass diese Atmosphäre in den eigenen Heimspielen fehlt. Im Vorjahr, als Verl eine glänzende Serie hinlegte, waren lautstarke Stadien kein Problem, coronabedingt fand ja nahezu die gesamte Saison vor leeren Rängen statt. Das ändert sich nun. Und wenn bereits eine hitzigere Atmosphäre in Meppen oder Halle die Nerven bei den Verantwortlichen blank liegen lässt, muss die Frage erlaubt sein, wie die Verler gedenken, Begegnungen bei 1860 München, in Braunschweig oder Magdeburg angehen zu wollen. Der Sportclub will Profifußball spielen, dann muss er auch mit den Begleiterscheinungen auf den Rängen leben. Capretti leistet in Verl hervorragende Arbeit. Bei aller berechtigten Aufregung über ausbleibende Pfiffe sollte aber aufgepasst werden, dass das Gejammer nicht zu sehr in eine persönlich beleidigte Haltung ausartet, die irgendwann vom Rest der Liga nicht mehr ernst genommen werden kann.
Immerhin: Als nächstes spielt der Sportclub gegen Viktoria Berlin. Da dürfte es etwas ruhiger zugehen.